Zinsvergiftung: "30% Zins im Bier "
meint Laien- und Hobbyökonom Creutz allen Ernstes
Helmut Creutz
30 Prozent Zinsen im Bier - kann das eigentlich stimmen?
Um auf die Zinsbelastung in den Haushaltsausgaben aufmerksam zu machen, werden in der Geldreformbewegung auch Bierdeckel eingesetzt, die - in Anlehnung an die Alkoholprozente - auf die ebenfalls im Bierpreis enthaltenen Zinsprozente hinweisen. Bei den dabei angegebenen 30 Prozent handelt es sich jedoch - wie auf der Deckelrückseite erläutert - um einen Durchschnittswert, bezogen auf alle Haushaltsausgaben.
Wie hoch ist der Zinsanteil im Bier tatsächlich?
Diese Frage kann im Grunde niemand genau beantworten. Denn selbst wenn man die Kalkulation einer Brauerei einsehen könnte, ergäben sich daraus lediglich die Zinskosten auf dieser letzterfassten Produktionsstufe. Denn die in die Bierpreiskalkulation eingehenden Kosten für alle bezogenen Produkte und Leistungen, also für Hopfen und Malz, Energie und Wasser usw., enthalten ja ebenfalls Zinsanteile, die jedoch nicht mehr erfassbar sind. Im Gegensatz zur Mehrwertsteuer, bei der die in den Vorstufen gezahlten Beträge jeweils ausgewiesen und abgezogen werden, akkumulieren sich die Zinslasten über alle Produktionsstufen in den Preisen genau so versteckt, wie die darin enthaltenen Lohn- oder Versicherungskosten usw.
Geht man dieser Kostenkette einmal genauer nach, dann bestehen alle Preise auf allen Produktionsstufen in der Wirtschaft - sieht man von Steuern, Versicherungskosten o.ä. ab - letztlich immer nur aus Arbeits- und Kapitalkosten. Zu diesen Kapitalkosten zählen jedoch nicht nur die Schuldenzinsen, sondern auch die Eigenkapitalrenditen und Bodenrenten. Und alle diese Kosten werden immer über alle Produktionsstufen bis zu den Verbrauchern weiter gereicht, die am Ende der Kette keine Möglichkeit mehr zu einer Überwälzung auf Dritte haben. Das heißt, die Endverbraucher müssen letztlich alle in der Wirtschaft anfallenden Kosten mit ihren Ausgaben tragen!
Wie kommt es zu dem Durchschnitts-Zinsanteil von 30 Prozent?
Die Ermittlung der sich über die Produktionsketten in den Endpreisen akkumulierenden Zinszahlungen ist letztlich nur in Form von Durchschnittswerten bezogen auf die gesamte Wirtschaft möglich. Zieht man für diese Ermittlung die in den Statistiken der deutschen Bundesbank ausgewiesenen Werte heran, dann lagen z.B. im Jahr 2000 die gesamten Schulden in Deutschland bei 6.420 Milliarden Euro und die Zinszahlungen für alle Kredite, die bei den Banken als Zinserträge zu Buche schlagen, bei 370 Milliarden, woraus sich ein Durchschnitts-Zinssatz von 5,7 Prozent errechnen lässt.
Stellt man diesen Größen das verfügbare Einkommen der Haushalte gegenüber, das im Jahr 2000 bei 1.340 Milliarden Euro lag, dann überstieg also die Verschuldung diese Einkommensgröße um fast das Fünffache!
Diese Relation geht auch aus der Darstellung hervor, in der die Haushaltseinkommen in den Jahren 1950, 1975 und 2000 mit den jeweiligen Schuldenbeständen der gesamten Volkswirtschaft verglichen werden, und zwar ungerechnet auf jeden Haushalt. Außer diesen jeweils unter den Säulen eingetragen Anteilswerten je Haushalt, sind ebenfalls die Prozentanteile und die Euro-Beträge eingetragen, mit denen in den drei herangezogenen Jahren jeweils die Haushalte bzw. Erwerbstätigen rechnerisch belastetet waren. Vor allem aber ist aus der Darstellung ersichtlich, in welchem Maße sich die Relationen zwischen Einkommen und anteiligen Schuldenlasten von 1950 bis 2000 verschoben haben, ebenfalls die Zinslasten, die von 6 über 13 auf die bereits genannten 28 Prozent der verfügbaren Einkommen der Haushalte anstiegen.
Bezieht man diese Zinslastgrößen auf die Haushaltsausgaben, die auf Grund der Ersparnisbildungen um etwa zehn Prozent unter den verfügbaren Einkommen lagen, dann lag die Zinslast im Jahr 2000 sogar bei jenen 30 Prozent, die auf den Bierdeckeln als Durchschnittsgröße angegeben werden.
Bei diesem Durchschnittswert ist allerdings zu beachten, dass mit ihm lediglich die gesamten Geldzinsströme erfasst werden, also die Zinseinnahmen und -zahlungen bezogen auf die Geldvermögen bzw. Geldschulden. Will man die gesamten in der Wirtschaft anfallenden Zinslasten ermitteln, dann muss man, zu den genannten Zahlen für den Geldbereich, noch die für das schuldenfreie Sachkapital hinzurechnen, einschließlich der Bodenwerte. Geht man dabei von einem gesamten Sachkapital in Deutschland von rund 10.000 Mrd. Euro aus, so übersteigt diese Größe die der Schulden von 6.420 Milliarden Euro um rund die Hälfte. Das heißt, die gesamte Zinslast aus dem verschuldeten und unverschuldeten Kapitalbeständen, würde mit 40 bis 45 Prozent noch einmal um ein Drittel bis zur Hälfte höher liegen als die ausgewiesenen 30 Prozent!
Einwände gegen diese errechneten Größen:
Die privat gezahlten Zinsen für Konsumenten- oder Hypothekenkredite gehen nicht in die Preise ein!
Das ist zutreffend, doch gehören auch diese direkt gezahlten Zinsen zu den Ausgaben und Belastungen der Haushalte. Wenn z.B. ein Auto auf Kredit gekauft wird, muss man die dafür zu zahlenden Zinsen den Autokosten und damit dem Preis des Autofahrens zurechnen, wenn man sich selbst nichts vorschwindeln will. Und wenn Zinsen für die Hypotheken des eigenen Heims aufzuwenden sind, treten diese nur an die Stelle der sonst mit der Miete zu zahlenden Zinslasten, d.h., sie erhöhen ebenfalls den Preis des Wohnens.
Die Zinsen für die Staatsverschuldung werden nicht auf die Steuern und Gebühren umgelegt, sondern häufig mit Neukreditaufnahmen bezahlt!
Das trifft ebenfalls zu, bedeutet aber keine Entlastung der Haushalte, sondern im Gegenteil mittelfristig eine noch höhere Belastung und langfristig möglicherweise eine Totalentwertung des Geldes!
Hätten z.B. die öffentlichen Haushalte in Deutschland seit 1970 die Zinsen über erhobene Steuern statt über Neukreditaufnahmen finanziert, wäre der Schuldenstand bis heute gleich geblieben und die jährlichen Zinslasten von damals rund 3 Milliarden wären nicht auf 66 Milliarden und damit das Zweiundzwanzigfache angestiegen! Bedenkt man weiterhin, dass seit 1970 die Schulden um 1.530 Milliarden Euro angestiegen sind und diesem Anstieg gezahlte Schuldenzinsen in fast gleicher Höhe gegenüberstehen, dann war diese ganze Verschuldungsorgie zu nichts nutze! Vielmehr hat sie lediglich bewirkt, dass die reiche Minderheit, die ihr Geld dem Staat leihen konnte, um genau diese Zinszahlungen in Höhe von rund 1,5 Billionen Euro reicher geworden ist! Für diesen leistungslosen Reichtumszuwachs und Geldtransfer von Arm zu Reich wurde jeder Haushalt rechnerisch seit 1970, in ständig steigenden Größen, mit rund 40.000 Euro zur Kasse gebeten!
Und wenn man dieses Überwachstum der Geldvermögen, Schulden und Zinstransfers nicht durch geeignete Maßnahmen abbremst, vor allem durch eine Anpassung der Zinssätze an die Wachstumssätze des Sozialprodukts, dann wird der Zinslastanteil auch in Zukunft weiter steigen, und mit ihm die Einkommensumschichtung von der Arbeit zum Besitz und damit die sozialen Spannungen!
Den Zinslasten, die von den Haushalten zu tragen sind, stehen in ähnlichen Größenordnungen auch Zinseinkünfte gegenüber, so dass sich beide Größen ausgleichen!
Würde sich dieser Ausgleich zwischen Zinszahlungen und -einnahmen bei jedem einzelnen Haushalt ergeben, also beide Größen immer identisch sein, dann könnten wir das Zinsproblem vergessen. In der Realität trifft dieser Ausgleich zwischen Zinslasten und Zinseinkünften jedoch nur bei einigen Haushalten zu. Bei fast 90 Prozent der Haushalte ist der Zinssaldo negativ und schlägt nur bei etwa 10 Prozent ins Positive um, besonders deutlich bei den Besitzern großer Vermögen. Das heißt, es findet ein ständiger Netto-Transfer von der Mehrheit der Bevölkerung zu einer Minderheit statt, der dazu noch ständig wächst!
Ob und in welchem Umfang der eigene Haushalt zu den Gewinnern oder Verlierern gehört, kann jeder relativ leicht ermitteln. Er muss nur seine persönlichen Zinseinkünfte, die er im Laufe des Jahres aus Geld- und Sachvermögen bezieht, mit seinen eigenen Zinslasten vergleichen, die er inzwischen insgesamt mit 40 bis 45 Prozent seiner Ausgaben ansetzen muss!
Und noch einmal zurück zum Bier:
Der Bierdeckel mit seinen 30% soll also nur bewusst machen, dass mit jedem ausgegebenen Euro jeder Haushalt Zinsen zahlt, auch dann, wenn er selbst gar keine Schulden hat! Besonders verlustreich ist natürlich die Sache bei jenen Haushalten, die mangels Ersparnisse bei diesem großen Zinsmonopoly-Spiel gar keine Rückzahlungen aus dem Umverteilungstopf erhalten!
Dass der beim Bier genannte Satz von 30% keinesfalls zu hoch sein kann, hängt nicht nur mit den darin fehlenden Zinsen für das schuldenfreie Sachkapital zusammen, sondern auch mit dem Tatbestand, dass gerade die Produktionen in den Brauereien sehr kapitalintensiv sind. Wer einmal in ein Brauhaus Einblick nimmt, wird dort nur ab und zu einen Menschen sehen, der die Anzeigegeräte kontrolliert, und auch die Abfüllanlagen sind heute weitgehend automatisiert. Bis das Bier dann im Glase schäumt, kommen außerdem zu dem Preis ab Brauerei nochmals weitere und oft sehr unterschiedliche Personal- und Kapitalkosten hinzu, je nachdem ob das Glas über den Getränkehandel zu Hause oder in der Gastwirtschaft aufgefüllt wird.
Doch so sehr man darum auch die 30 Prozent Zinsen im Bier anzweifeln mag, so sicher ist, dass ihr Anteil keinesfalls unter dieser Marke liegt. Und auch als Durchschnittssatz, bezogen auf die gesamten Haushaltsausgaben, dürften diese 30 Prozent aus sachlichen Gründen nur selten unterschritten werden. Denn berücksichtigt man, dass alleine in den Mietzahlungen der Zinsanteil mit 60 bis 80 Prozent zu Buche schlägt und die Mieten wiederum bei einem Viertel der gesamten Haushaltsausgaben liegen, dann ergibt sich alleine durch diese Zinsanteile in der Miete, umgerechnet auf die gesamten Haushaltsausgaben, bereits eine Durchschnitts-Zinsbelastung von 15 bis 20 Prozent
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